Unwissenheit – das Leben und die Welt

Vielleicht wissen wir alle nicht genau, was Leben wirklich bedeutet, wie man richtig lebt. Vielleicht gibt es gar kein richtig. Jeder denkt, er wüsste wie man zu leben hat. Wie ein Leben auszusehen hat. Der Gedanke erscheint zurecht absurd, ist aber nichtsdestotrotz ein korrekter. Wir alle wollen erhaben sein über jeden Zweifel, ob nun bewusst oder unbewusst spielt dabei keinerlei Rolle. Wir wollen Recht haben, schuldfrei sein und dabei auch noch als Gewinner uns hervortun. Denn in der Natur geht es immer nur darum zu gewinnen, sei es nun der Triumph einer Raubkatze gegenüber ihrer Beute, oder die argumentative Oberhand in einer hitzigen Diskussion zweier menschlicher Individuen. Letzten Endes sind auch wir nur von unseren niederen Trieben gesteuert, welche im krassen Kontrast zu unseren fortschrittlichen kognitiven Fähigkeiten stehen.

„Alles ist gut. Der Mensch ist unglücklich, weil er nicht weiß, dass er glücklich ist. Nur deshalb. Das ist alles, alles! Wer das erkennt, der wird gleich glücklich sein, sofort im selben Augenblick.“ – Dostojewski

Egal, wie alt wir sind; wir sind niemals alt genug. Niemals weise genug, egal, wie viel Lebenserfahrung wir uns aneignen. Wir lernen nicht aus Fehlern, weil wir sie nicht als solche enttarnen können. Wir bleiben dumme Kinder, die das Leben nicht verstehen und hilflos durch die Welt laufen. Es ist egal, ob wir 10, 20 oder 100 Jahre alt sind: unsere Erfahrungen bestärken uns jeder in seiner eigenen Realität die sich gravierend von denen der anderen Menschen unterscheidet. Keine ist identisch. Wie also können wir eine gemeinsame Basis erreichen, sodass man beginnen kann das Leben zu verstehen? Geht dies gemeinsam? Oder müssen wir uns erst unserer Selbst und dem Leben als solches alleine bewusst werden, bevor wir auch nur ansatzweise versuchen könnten, dies mit jemand anderem zu teilen?

Wir sind alle so jung. Wir sind alle so unwissend. Wir schlagen mit unseren Krallen um uns, wie ein in die Ecke gedrängtes Tief, weil wir nicht wissen, wie die Welt funktioniert.

Wir könnten das in die Ecke gedrängte Tier beschuldigen, wenn wir verletzt sind, weil es seine Klauen tief in unser Fleisch gegraben hat. Oder wir könnten uns fragen, warum es überhaupt erst nach uns geschlagen hat, warum es seine Krallen ausgefahren hat. Sind dann nicht wir selbst Schuld an unseren eigenen Wunden? Haben nicht wir selbst das Tier in die Ecke, es zu Gewalt gedrängt?

Die Schuldfrage kann man nur in sich selbst suchen, denn dies ist der einzige Ort an den man Zugang hat, um das Leben zu ergründen.

Wir können dem Tier nur noch die blutende Hand reichen, mit einem sanften Lächeln und es bitten, seine Krallen noch einmal hineinzuschlagen, auf dass es uns nicht mehr loslassen möge. Die Wunden, die wir uns selbst zugefügt haben, sind Zeuge unserer eigenen Unwissenheit, unseres eigenen Versagens in dieser Welt. Wir können das Tier um Vergebung bitten und hoffen, dass es seine Krallen wieder löst. Dass es sanfter wird und uns nicht mehr als Gefahr ansieht. Bis dahin müssen wir unsere Hand, mit Blut überströmt, immer und immer wieder ausstrecken. Denn uns bleibt nichts als die Hoffnung auf Vergebung und Besserung.

„Gewalt ist die letzte Zuflucht des Unfähigen.“ – Asimov

Wir haben keinen Einfluss auf die Geschehnisse, wir können sie nur annehmen und hoffen. Hoffen, dass wir es beim nächsten Mal besser machen, dass wir unsere Fehler als solche erkennen und sie nicht wiederholen.

Unser Leben, unsere Welt ist bevölkert von unwissenden Kindern, von in die Ecke gedrängten Tieren die mit ihren Krallen um sich schlagen und jeden anfauchen, der ihnen zu nahe kommt. Wir sind eines davon.

Wenn wir Glück haben, kommt jemand vorbei und reicht uns seine Hand, auf dass wir unsere Krallen hineinschlagen und sie nie wieder loslassen. Auf dass die Hand nicht in Furcht zurückgezogen wird.

Wenn wir allerdings kein Glück haben, dann stecken wir gemeinsam mit einem anderen Wesen in einem Käfig, beide verängstigt und unwissend, in blinder Panik um sich schlagend.

Hoffen wir, dass wir alle mehr die Person sind, die die Hand ausstreckt, und weniger die, die die Krallen ausfährt.

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